Übertragbarkeit: Wie lange kann eine Frau willentlich die Geburt eines Kindes hinauszögern?

Sklave seines Darmes. Manfred kackt mal wieder, oder besser, es kackt sich aus ihm heraus. 8 Uhr früh, und schon wieder eine ganze Rolle Klopapier durch die Pobacken gezogen. Wo soll das bloß hinführen, dieser Verbrauch ist grotesk.

Verhör einer Leiche: Die Leiche wird von einer Wahrheitskommission zum Essen mitgenommen, da in der aufrechten Sitzposition die Säfte so fließen können, dass verwertbare Informationen freigesetzt werden.

Betrachtungen über den Tod
Ich habe schon ein paar Leichen gesehen, nicht viele, aber genug. Sie hatten kurz vorher noch gelebt und waren gestorben, lagen dann tot in ihren Sterbebetten. Vorher Menschen, hinterher Leichen. Eine komplette Daseinstransformation, die Entmenschlichung par excellence. Die meisten der Toten habe ich als Lebende gut gekannt. Und trotzdem waren sie mir als Leichen so fremd, wie kaum etwas anderes auf dieser Welt. Nicht der Körper macht den Menschen aus, es ist sein Geist, seine Seele. Fehlt letzteres, bleibt nur eine Hülle aus sich zersetzender Biomasse, eine von außen sichtbare Form dessen, was dem nun abwesenden Inneren Gestalt und Handlungsfähigkeit verlieh. Traditionell öffnet man das Fenster, nachdem jemand gestorben ist. Angeblich, damit die Seele besser hinaus findet. Tatsächlich wirkt die Frischluftzufuhr dem einsetzenden Leichengeruch entgegen.
Im Tod erfährt ein Mensch den Moment der ausgeprägtesten Würdelosigkeit. Nicht einmal das Allereinfachste kriegt man mehr hin – nämlich am Leben zu bleiben oder besser, die basalen Körperfunktionen am Laufen zu halten. Eine Würdelosigkeit, die sich in der anschließenden Verwesung fortsetzt. Der Körper beginnt zu stinken, Gase auszustoßen, sich zu verfärben, zu verfaulen. Es wird also eklig, ein wenig später dann sogar gruselig. Sind die meisten Menschen beim Sterben bereits von schwerer Krankheit gezeichnet und daher kaum mehr zu erkennen und hässlich, verwandeln sich ihre Körper nach dem Tod in etwas noch viel Hässlicheres. Nur noch Abstoßendes bleibt vom menschlichen Körper nach seinem Leben.

In der Kirche gab es nur Gebete wie Sprühstuhl, Worte mit Hochdruck an die Wände gespritzt, an denen sie kleben blieben und vertrockneten.

Klar, dass auch Karls Geburt nicht wunschgemäß für alle Parteien verlaufen war. Er hatte seine schützende Fruchtblase nicht nur einige entscheidende Wochen zu früh verlasen müssen, sondern während der Geburt auch noch zu wenig Sauerstoff abbekommen. Seine Asphyxie wurde so zur Hauptursache einer Reihe dezenter kognitiver Beeinträchtigungen sowie für sein ausgeprägtes Innenschielen auf beiden Augen. Letzteres sollte Karl zeitlebens begleiten und fortan jedes Face-to-Face Gespräch unter einen schlechten Stern zerren, weil es kaum jemand schaffen konnte, seinen Blick von Karls lustigen Clownsaugen abzuwenden. Daran sollten auch die dicken Brillengläser nichts ändern, die er von seinem fünften Lebensjahr an tragen musste. Es war dann immer wie bei Leuten mit Hasenscharten oder krassen Feuermalen, oder wie beim Versuch, auf einen Befehl hin NICHT an einen blauen Elefanten denken zu dürfen: jeder Blick wurde magisch von Karls Strabismus angezogen, der nicht nur eine exponierte anatomische Besonderheit darstellte, sondern in Kombination mit seinem flachstirnig gedrungenem Kopf die leichte Anmutung einer geistigen Behinderung beförderte.
Wann er auf die schiefe Bahn geraten war, daran konnte er sich nicht mehr erinnern. Die Kacke war bei ihm schon immer am Dampfen. Von der schiefen Bahn ging’s dann unmerklich über auf’s Abstellgleis, kein Stillstand im Rückschritt, ein einziger tiefer Sturz in ein Fass ohne Boden, und das alles ohne ein Fünkchen Hoffnung auf ein bisschen Glück. Fünzig Jahre seit seiner Geburt, alle total versemmelt. Zu schäbig für die Resterampe, ein Leben für den Schweineeimer und selbst noch dort zu mies für den Kompost. Eine gigantische, nicht mehr bezifferbare Verschwendung von Lebenszeit und Lebensmühe, ein unfassbares Totalversagen, ein auf ewig in die Länge gezogenes Scheitern ohne die leiseste Aussicht auf einen winzigen Hauch von Glück oder Erfolg. Aus den Fugen geratenes Dauerpech multipliziert mit einem Verkacken in Endlosschleife, das war Karls verschimmeltes Leben.

Das Skelett
Im Wald an einem Baum mit starkem Geäst hingen die Gebeine eines vor Jahren erhängten Mannes und baumelten im Winde. Nicht weit davon entfernt ging ein Wanderer einen Weg entlang, konnte das Skelett, das aufgrund seines Moosbelages schlecht sichtbar war, jedoch nicht erkennen. Ohne für den Wanderer erfahrbar zu werden, bröckelte sodann ein ganz klein wenig Moos von der Hand des Skelettes, abgelöst durch eine unmerkliche Vibration im knöchernen Arm.
Wir aber wissen: Der Wanderer war des Erhängten Bruder.

Irgendwann im Dezember sagte ein kleiner Junge zu seiner Mutter, sie möge ihm ein wenig Geld zum Kauf einiger Süßigkeiten geben. Die Mutter aber lachte und schlug das Kind mit einem zufällig greifbaren Pfahl, der eigentlich zur Befestigung eines runden Behälters gedacht war, auf den Kopf. Der Pfahl jedoch zerbrach, als er gegen den Schädel des Jungen traf, und das abgebrochene Ende flog auf die Straße, wo es einem Radfahrer zwischen die Speichen geriet. Dieser fiel, schlug mit dem Kopf dem Asphalt auf und taumelte blutüberströmt in die Arme der Mutter, deren teure Seidenbluse somit rot und unbrauchbar wurde.
Wir aber wissen: Kleine Sünden straft der Allmächtige durch eine Verkettung scheinbar unzusammenhängender Zufälle.

London, Nationalmuseum im Spätwinter 1985. Es war mir gelungen, anhand aushängender Pläne durch das Labyrinth der Hallen und Gänge zu den Mumien zu finden, die man in gesonderten Räumlichkeiten untergebracht hatte. Vorbei an allerlei Gerümpel der Weltgeschichte musste ich gehen, vorbei an den Römern, den Griechen, den Kelten, den Inkas und Babyloniern, vorbei an nutzlosem Geröll, Zerbröckeltem, Verfallenem, uraltem Zeug, aufgestapelt in Regalen, hineingestopft in Vitrinen, manches auf Thronähnlichem, mit Samt überspannten Erhebungen drapiert, um es, da so bedeutungsvoll, von dem Anderen abzuheben. Durch lange Gänge, sich verzweigende Wege, tastete ich mich, mal links, dann rechts, bald geradeaus, dann wieder querfeldein an unzähligen Leuten vorbei, die von der Erhabenheit der ausgestellten Dinge zum Schweigen gebracht, langsam, fast andächtig umherschlichen und schauten. Dann, nach einer schier endlosen Reise, kam ich bei den Mumien an.
Da lagen sie auch schon, diese schwarzgefaulten, zerfallenen Körper, deren noch lebendige Antlitze, augenlos und mit weit aufgerissenen Mündern, fragmentarischen Haaren und tiefen Löchern, in die gaffende Menge starrten, die auf sie, respektlos und von oben herab, fast schon wie auf etwas sehr Niedriges, Bedeutungsloses und Verachtungswürdiges glotzen.

Ich sitze inmitten einer großen Weide und begaffe eine kleine Gruppe grasender Kühe, die mit einer gleichmäßigen Routiniertheit Gras fressen und wiederkäuen. Auf einer Stelle mit besonders saftigem Gras aalt sich ein fetter Oberochse in seinen Ausscheidungen und grunzt zufrieden beim Anblick seiner Kühe. Mir ist es nicht, oder nur sehr selten, gestattet, das Gras zu fressen und wiederzukäuen, meine pflichtgemäße Tätigkeit besteht hauptsächlich im Begatten der Kühe. Ich habe die Funktion eines geschorenen Schafes und darf nur an besonders kargen Orten der Weide äsen, wo zwischen Steinen und Matsch kaum ein grüner Halm zu finden ist. So zum Darben verdammt, mache ich mir den ein oder anderen Gedanken über meine Weide, auf der ich eigentlich nur zu Gast bin, oder sogar noch Geringeres, und denke über die Kühe nach, die keinen unzufriedenen, so aber auch keinen besonders glücklichen Eindruck auf mich machen. Vielleicht bestraft sie der Oberochse hart, dies ist aber nichts weiter, als eine vage Vermutung, da ich ihre Peinigung noch nie gesehen habe, doch es könnte durchaus möglich sein, dass er sie von Zeit zu Zeit furchtbaren Qualen aussetzt. An der längeren Seite der Weide befindet sich ein großer Trog, aus welchem die Kühe in unregelmäßigen Zeitabständen Wasser zu sich nehmen. Da das Wasser darin öfter zuneige geht, müssen die Kühe ihn ab und an wieder auffüllen, was stets im Rahmen einer feierlichen Zeremonie geschieht. Ich trinke nicht aus dem Trog, sondern aus einem etwas abseits gelegenem Teich. An einem großen Baum inmitten der Weide ist großes Transparent befestigt, auf dem das Wort „Disziplin“ prangt. Ich glaube, es ist auch zum Teil ein Ziel meines Aufenthalts auf der Weise, den Sinn dieser Buchstaben zu begreifen.

Tropfen im Regen
Der Weg ist weit, wo die Bäume stehen
Wo Gras wächst und die Blumen blüh'n
Seht mich an, mein Fallen bringt Segen
Glaub' mir, mein Freund, ich bin ein Tropfen im Regen
Seht die Pappeln im Winde sich beugen
Groß genug, um von der Sonnen zu zeugen
Habe viel gewagt, muss fallen deswegen
Vertrau' mir, mein Freund, ich bin ein Tropfen im Regen
Seht die Wolken heimwärts ziehen
Und die Sonne am Himmel glühen
Nichts ist verloren, mein Fallen bringt Leben
Jetzt weißt du genau, ich war ein Tropfen im Regen