Inhalt
Inhalt
1. Was ist Moderation?
1.1 Sozialpsychologischer Hintergrund: Theorien und Befunde zu Gruppenleistungen (oder: lösen Gruppen Probleme wirklich besser?)
1.1.1 Eine Typologie von Gruppenaufgaben
1.1.2 Leistungsminderungen in der Gruppe: Der Ringelmann-Effekt
1.1.3 Leistungssteigerung in der Gruppe: Der Köhler-Effekt
1.1.4 Die Verteilung von Interaktionen in der Gruppe
1.1.5 Kommunikationsstrukturen in der Gruppe
1.1.6 Soziale Erleichterung / Behinderung (social facilitation)
1.1.7 Uniformitätsdruck: Konvergenz auf Kleingruppenstandard
1.1.8 „Groupthink“ / Gruppendenken
1.1.9 Zur Problemlösungsfähigkeit von Gruppen: Gibt es einen Gruppenvorteil?
1.1.10 Problematisches Brainstorming – oder: kreative Gruppenleistungen
1.1.11 Die Gruppensituation
1.2 Moderationstechniken
1.2.1 Die Delphi-Methode
1.2.2 Die Nominale Gruppentechnik (NGT)
1.2.3 Die prozedurale Moderation (PROMOD)
Die Moderatiosmethode
2.1 Ganzheitliches, interaktionelles Lernen: Aus Betroffenen Beteiligte machen
2.2 Vorbereitung einer Moderation
2.3 Moderationselemente und -techniken
2.3.1 Grundtechniken der Pinnwand-Gestaltung
2.4 Arbeitstechniken
2.5 Der Ablauf der Moderation
2.6 Verhaltensregeln für den Moderator
2.6.1 Frageformulierungen
2.6.2 Umgang mit Störungen
1. Was ist Moderation?
Eine prominente Definition, die auch in Lehrbüchern verwendet wird, lautet:
Moderation bedeutet im ursprünglichen Sinn Mäßigung (lat. moderare: mäßigen, steuern, lenken) und steht in der Moderationsmethode für:
– eine spezifische Grundhaltung des Lehrers;
– die Arbeit nach einer bestimmten Methodik;
– die Verwendung bestimmter Hilfsmittel und Materialien.
(Seifert, Joseph W.: Visualisieren, Präsentieren, Moderieren. Offenbach 1989.)
Die Moderationstechnik bezeichnet dabei eine sozialpsychologische Form, die den Ablauf einer Gruppenarbeit von außen steuert. Dieser Prozess wird vom Moderator gruppendynamisch gefördert, (meist) jedoch nicht inhaltlich gelöst.
Nach Ziegler können folgende Zielsetzungen für Moderationen aufgezählt werden:
Moderation zur Gesprächsführung: Gruppen werden in ihren Kommunikationen gesteuert, damit alle Teilnehmer gleichberechtigt zu Wort kommen und das Gespräch themenzentriert verläuft.
Konfliktmoderation: Steuerung von Konflikten durch Externe. Schwerpunkt ist weniger die sachliche Auseinandersetzung, sondern die sozio-emotionale Ebene.
Moderation zur Selbststeuerung: Teamentwicklung und konkrete Problemlösung stehen im Vordergrund. Die Gruppe soll in die Lager versetzt werden, Probleme durch Eigensteuerung zu lösen.
Moderation zur Problembearbeitung: Motivationale und koordinierende Hilfestellung ist das Ziel der Moderation. Der Moderator regt Aktivitäten zur Problemlösung an und steuert / koordiniert den Lösungsprozess. Gefördert wird die Veränderung gewohnter Denk- und Verhaltensstile sowie die Gewinnung von Synergien bei den Mitgliedern.
1.1 Sozialpsychologischer Hintergrund: Theorien und Befunde von Gruppenleistungen (oder: lösen Gruppen Probleme wirklich besser?)
Zunächst einige Definitionen von Gruppen:
– Wenn zwei oder mehr Personen in irgendeiner Beziehung zueinander stehen, bilden sie eine Gruppe (Lindgren).
– Eine Gruppe kann definiert werden als eine Mehrheit von Individuen, die in Kontakt miteinander stehen, aufeinander reagieren und in wesentlichen Punkten Gemeinsamkeiten erleben (Olmstedt).
– Eine sozialpsychologische Gruppe ist ein organisiertes System von zwei oder mehr Individuen, die so miteinander verbunden sind, dass in einem gewissen Grade gemeinsame Funktionen möglich sind, Rollenbeziehungen zwischen den Mitgliedern bestehen und Normen existieren, die das Verhalten der Gruppe und aller ihrer Mitglieder regenl (McDavid & Harari)
Gruppen spielen in unserem Leben eine große Rolle. Im Beruf gibt es Arbeitsgruppen, die Probleme lösen oder Ideen finden sollen. Diese Form der Bearbeitung ist insbesondere bei komplexen und schwierigen Aufgaben sehr beliebt, denn man geht gemeinhin davon aus, dass Gruppen eine höhere Leistungsfähigkeit besitzen, als Individuen.
Beispiele:
– Projektgruppen in Schule / Universität / Betrieb / Verein
– Ministerien, Kabinett, Parlament, Ausschüsse, Kommissionen, Kammern
– Schöffengerichte
– Operationsteam im Krankenhaus, Ärztekonzil
– Vereinsvorstand / Gremiensitzungen
– die Wirtschafts“weisen“, der Rat der Druiden
Komplexe oder schwerwiegende Entscheidungen werden häufig von Teams / Gruppen getroffen, weniger aber von Einzelpersonen. So folgt unsere in wesentlichen Bereichen Lebenswelt Gruppenentscheidungen, da man diesen eine höhere Qualität unterstellt.
Doch ist das wirklich so?
Ein erster Gedanke:
Zu typischen Gruppen zählen die Familie, der Freundeskreis und die Arbeitsgruppe. In allen Gruppen gibt es eine Beziehungs- und eine Leistungskomponente; wobei in Familie und Freundeskreis die Beziehungskomponente überwiegt. In Arbeitsgruppen wird i.d.R. versucht, beide Komponenten gleichzeitig zu berücksichtigen. Dabei wird jedoch kein Ziel optimal verfolgt. Die hohen Leistungsanforderungen werden nur bedingt erbracht.
Auch in Arbeitsgruppen spielt die sozio-emotionale Seite eine wichtige Rolle. Das hat verhaltensbiologische Ursachen, denn unsere Erwartungen an Arbeitsgruppen werden auf dem Hintergrund von Familie und Freundesgruppen entwickelt, kaum aber an der Aufgabenorientierung.
So muss eine Balance zwischen beiden Seiten gefunden werden – in der Moderation durch eine gezielte Steuerung von außen.
Dennoch werden Gruppen hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Problemlösung systematisch überschätzt. Das hat folgende Gründe:
– Gruppenarbeit führt zu einer verbesserten Stimmung im Vergleich zur Arbeit im „stillen Kämmerlein“. Diese verbesserte Stimmung wird auf die Einschätzung der Leistung übertragen, diese wird systematisch überschätzt.
– Die sozio-emotionale Komponente hat nicht nichts mit der Güte der Leistung der zu tun.
– Eine Verbesserung des Gruppenklimas verbessert nicht nicht zwingend die Aufgabenbewältigung, ein schlechtes Gruppenklima ist dafür nicht unbedingt hinderlich.
– Gruppenmitglieder, die viel reden und selbstsicher auftreten, werden als kompetent angesehen. Diese Einschätzung hat aber nichts mit der wirklichen Qualität individueller Vorschläge zu tun.
– Es fällt Gruppen grundsätzlich schwer, die Fähigkeit der Mitglieder einzuschätzen.
– Die Einschätzung der Leistungsgüte der Gesamtgruppe hat wenig zu tun mit der wirklichen Lösungsqualität.
– Überhaupt entsprechen die subjektiven Eindrücke kaum den realen Verhältnissen.
Halten wir also fest:
Wichtige und komplexe Entscheidungen / Problemlösungen werden von Gruppen erbracht und bestimmen unser Leben. Von den Entscheidungen bestimmter Projektgruppen hängt in vielfältiger Weise unsere persönliche, politische und ökonomische Entwicklung ab – auch wenn diese Entscheidungen in der Öffentlichkeit selten als Gruppenentscheidungen qualifiziert werden. Daher ist es dringend nötig, einen genauen Blick auf die beteiligten gruppendynamischen Prozesse zu werfen. Denn es spricht vieles dafür, dass die besondere sozialpsychologische Gruppensituation eine veritable Quelle vielfältiger Fehler ist.
Eine Überlegenheit der Gruppe bei der Lösung komplexer Aufgaben gegenüber dem Einzelnen ist jedoch nur dann gegeben, wenn diese Fehlerquellen behandelt oder eingedämmt werden.
Es folgenden einige interessante Befunde zum Thema Gruppenleistungen.
1.1.1 Eine Typologie von Gruppenaufgaben
Um Gruppenleistungen zu beurteilen, lassen sich inhaltliche Unterscheidungen der Aufgaben vornehmen:
1. Entscheiden: Wählen zwischen > 1 Alternativen, wobei sich die Alternativen hinsichtlich des Grades ihrer Eignung unterscheiden, die „richtige“ Alternative aber unbekannt ist.
2. Problemlösen: Eine richtige Lösung muss gefunden werden; es gibt nur „richtig“ oder „falsch“, jedoch keine Abstufung dazwischen.
3. Ideen generieren: Entwickeln von Ideen, die möglichst kreativ sein sollen. Ideen sind nicht richtig oder falsch, sondern nur mehr oder weniger kreativ.
4. Planen: Fokussierung auf das prozesshafte Vorgehen, weniger aber auf das Ergebnis.
5. Gemeinsam Handeln: Koordinative Abstimmung individueller Handlungen auf ein kollektives Ziel hin.
All diese Aufgaben sind kooperativ, d.h. es zählt immer das gemeinsame Gruppenergebnis (i. Ggs. zu kompetitiven Aufgaben, wo der jeweils Beste gewinnt).
Die inhaltliche Differenzierung kann hinsichtlich der Frage ergänzt werden, ob eine Aufgabe teilbar ist oder nicht. Ist sie es, kann sie sequentiell (entlang eines Zeitstrahls) oder parallel (gleichzeitig) abgearbeitet werden.
Ebenso können können Aufgaben danach unterschieden werden, ob die Gruppenleistung vom besten Individuum, vom schlechtesten Individuum oder von allen Mitgliedern abhängig ist.
1.1.2 Leistungsminderungen in der Gruppe: Der Ringelmann-Effekt
Bei Aufgaben der psychomotorischen Art liegt die Gesamtleistung der Gruppe i.d.R. unter dem Wert der addierten Einzelleistungen. Dies trifft auf Dauerleistungen und Maximalleistungen zu.
Dabei zeigt sich eine prozentuale Abnahme der Gruppenleistung bei Zunahme der Gruppenmitglieder.
Dieses „social loafing“ (soziale Drückebergerei) kann auf Prozessverluste zurückgeführt werden Diese untergliedern sich in:
Koordinationsverluste (Ungleichzeitigkeit, ungleiche Richtung)
Motivationsverluste (Tendenz, anderen die Arbeit zu überlassen, insbesondere dann, wenn die Eigenleistung nicht identifizierbar ist)
[Ringelmann M. (1913): Recherches sur les moteurs animés: Travailles de l‘homme. Annales de , Institut national Agronomiquel, 12, 1 – 40.]
1.1.3. Leistungssteigerung in der Gruppe: Der Köhler-Effekt
Beträgt in einer Dyade / Triade das Leistungsniveau des / der Schwächeren etwa 75% des Stärkeren, erfolgt häufig eine signifikante Leistungssteigerung der Schwächeren, so dass die Gesamtleistung der Gruppe mehr als die Summe der Leistungsniveaus ihrer Mitglieder beträgt
Der Köhler-Effekt kann also gezielt zur Leistungssteigerung Schwächerer (vornehmlich bei psychomotorischen Aufgaben wie Sport, Musizieren, Fließbandarbeit etc.) eingesetzt werden.
1.1.4. Verteilung von Interaktionen in Gruppen
Es herrscht das Gesetz des geringsten Aufwandes: Gruppenmitglieder reduzieren ihren Aufwand auf das situativ minimal-opportune Maß.
Vielredner lässt man reden. Diese verfügen über bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, sind weniger sozial ängstlich und haben mehr Selbstvertrauen.
In (nicht-moderierten) Gruppen bilden sich spontan Strukturen, die mittels Interaktionsraten messbar sind und auf einen Gleichgewichtszustand zustreben.
1.1.5 Kommunikationsstrukturen in Gruppen
In Gruppen entsteht spontan eine Rangordnung als natürliche Ordnung des sozialen Mikrosystems. Diese Netze lassen sich wie folgt unterscheiden:
Zentralisierte Netze: (Stern / Kette / Ypsilon) entstehen bei einfachen Aufgaben schneller als dezentralisierte Netze. Bei einfachen Aufgaben werden weniger Fehler produziert.
Dezentralisierte Netze (Kreis / Vollstruktur) entstehen bei komplexen Aufgaben, es werden mehr Botschaften ausgetauscht. Die durchschnittliche Zufriedenheit ist hier höher, als in zentralisierten Netzen.
Wählen Gruppen ein Kommunikationsnetz selbst, kommt es zu einer Anpassung an den Aufgabentypus. Ihre Leistungsfähigkeit hängt nicht zuletzt davon ab, ob sie ihre Kommunikations- / Gruppenstruktur flexibel der Aufgabenstellung anpassen können.
In Gruppen entsteht spontan eine Rangordnung als natürliche Ordnung des sozialen Mikrosystems. Diese Netze lassen sich wie folgt unterscheiden:
Zentralisierte Netze: (Stern / Kette / Ypsilon) entstehen bei einfachen Aufgaben schneller als dezentralisierte Netze. Bei einfachen Aufgaben werden weniger Fehler produziert.
Dezentralisierte Netze (Kreis / Vollstruktur) entstehen bei komplexen Aufgaben, es werden mehr Botschaften ausgetauscht. Die durchschnittliche Zufriedenheit ist hier höher, als in zentralisierten Netzen.
Wählen Gruppen ein Kommunikationsnetz selbst, kommt es zu einer Anpassung an den Aufgabentypus. Ihre Leistungsfähigkeit hängt nicht zuletzt davon ab, ob sie ihre Kommunikations- / Gruppenstruktur flexibel der Aufgabenstellung anpassen können.
1.1.6 Soziale Erleichterung / Behinderung (social facilitation)
Die Massenpsychologie ging zumeist davon aus, dass sich die Anwesenheit anderer Personen negativ auf die Leistung des einzelnen auswirkt. Auch werden in Gruppensituationen komplexe sowie einfache Aufgaben häufig schlechter ausgeführt, als bei Einzelarbeit (Ringelmann-Effekt). Allerdings gibt es auch viele umgekehrte Befunde (so etwa Schulkinder, die unter Anwesenheit ihrer Klassenkameraden bessere Leistungen zeigten). Untersuchungen deuten also darauf hin, dass die Anwesenheit anderer Personen die individuelle Leistung beflügeln kann, bzw. ihr nicht hinderlich ist.
– Unterschieden werden muss hier zwischen Gruppen- und individuellen Leistungen
Gruppenleistungen nehmen mit steigender Kohäsion (Kraft des Zusammenhangs) zu.
Je höher der Uniformitätsdruck, desto eher wird versucht, den sozialen Standards zu folgen. Dies gelingt bei einfachen Aufgaben zumeist und zeigt sich in einer Leistungssteigerung.
Bei komplexen Aufgaben kann der Uniformitätsdruck jedoch zu einer Verschlechterung der individuellen Leistung führen (vgl. „Groupthink“).
1.1.7 Uniformitätsdruck: Konvergenz auf Kleingruppenstandard
In Gruppen kann sich eine überindividuelle (oder kollektive) Realität hinsichtlich der Einschätzung von Sachverhalten etc., ein sogenannter Kleingruppenstandard, herausbilden. An ihm orientieren Gruppenmitglieder ihre eigene Meinung. Damit folgen sie einem Uniformitätsdruck, indem sie ihre eigenen Realitätssicht auf den Kleingruppenstandard hin ausrichten.
Klassisches Experiment dazu von M. Sherif (1935):
– In einem dunklen Raum wurde Versuchspersonen (Vpn) ein Lichtpunkt dargeboten, der sich nach kurzer Zeit scheinbar bewegte (autokinetischer Effekt: optische Täuschung). Zeigte man diesen Reiz einer einzelnen Person, ergab sich schnell ein charakteristischer Mittelwert.
– Es wurden nun Gruppen aus zwei bis drei Mitgliedern gebildet, die ihre Beobachtungen laut ansagen sollten. Schnell bildetet sich der Kleingruppenstandard als überindividuelle Realität heraus. Die Beteiligung mehrerer Personen an der Schätzung beeinflusste also die individuellen Schätzungen. Die Vpn gaben ihren persönlichen Standpunkt zum Teil auf.
– Ferner zeigte sich, dass sich die Schätzungen durch Konfidenten (verdeckte und eingeweihte Versuchsteilnehmer) gezielt beeinflussen lassen.
Kurz zusammengefasst, zeigen Studien zum Thema Uniformitäts- / Konformitätsdruck folgende Ergebnisse:
- Der Uniformitätsdruck steigt mit dem Ausmaß der Bildung einer Gruppe. Die entsprechenden Kommunikationen nehmen zu.
- Bei freien Diskussionen sind die Argumente so verteilt, dass sie insbesondere jene Richtung aufweisen, die der gesellschaftliche Verhaltensstandard vorgibt.
- Es kommuniziert die Person am meisten, die der sozial erwünschten Position der Gruppe am nächsten kommt.
- Je stärker die Handlungen eines Akteurs mit den Vorschriften innerhalb eines sozialen Systems übereinstimmen, desto positiver wird seine Selbstwahrnehmung.
- Die Handlungen eines Akteurs werden um so eher internalisiert, je stärker sie mit den Vorschriften eines sozialen Systems übereinstimmen.
Konformität ist bei der Entwicklung bei Gruppennormen und -standards beteiligt. In aufgaben- und leistungsorientierten Gruppen ist die Bindung an Normen leistungsförderlich. Konfligieren die Gruppennormen jedoch z.B. mit den Unternehmenszielen, tritt selbstredend das Gegenteil ein.
1.1.8 „Groupthink“ (Gruppendenken)
In kohäsiven Gruppen, die eine gemeinsame Entscheidung zu reffen haben, treten häufig negative Konformitätsprozesse auf.
Merkmal ist eine geringe kognitive (verstandesmäßige, gedankenmäßige) Komplexität von Argumentationsmustern, die hauptsächlich dem Zweck dienen, eine bestimmte (gemeinsame) Position zu bestätigen (weniger aber, das eigentliche Problem zu lösen). So kann es geschehen, dass für sich genommen hochkompetente Individuen teils fragwürdige Meinungen vertreten, um sich damit der Gruppenmeinung anzupassen. Ein„richtiger“ oder sehr konstruktiver Lösungsvorschlag wird so zugunsten des Gruppenkonsenses geopfert.
Als Gegenmaßnahmen wurde von Jamis vorgeschlagen:
– Der Gruppenleiter soll ausdrücklich zu Kritik auffordern.
– Der Leiter oder einflussreiche Mitglieder sollen ihre Meinung zunächst verbergen.
– Es sollten zwei unabhängige Gruppen getrennt von einander Lösungsvorschläge ausarbeiten und später der Gesamtgruppe präsentieren.
– Außenstehende sollen aufgefordert werden, ihre Auffassungen unabhängig von der Gruppe zu entwickeln und einzubringen.
– Ein Gruppenmitglied sollte bewusst eine Gegenposition einnehmen (Advocatus Diaboli).
– Hat sich die Gruppe auf eine Lösung geeinigt, sollte diese noch einmal bewusst in Frage gestellt werden.
[Janis, J.L. (1972): Victims of groupthink. A psychological study of foreign policy decisions and fiascos. Boston.]
1.1.9 Zur Problemlösungsfähigkeit von Gruppen: Gibt es einen Gruppenvorteil?
Lösen Gruppen nun Probleme besser, als Einzelpersonen?
Gilt „viele Augen sehen mehr“ oder eher „viele Köche verderben den Brei“?
Ganz allgemein kann festgehalten werden:
– die meisten Gruppenlösungen sind besser als die durchschnittlichen Lösungen von Einzelpersonen
– die meisten Gruppenlösungen sind allerdings auch schlechter, als die der besten Individuen
– es gibt also eine negative Beeinflussung der besten Individuen und eine positive der Schlechtesten
Konsequenzen dieses Modells:
– Eine Majorität wählt nur bei Pi > 0.5 mit größerer Wahrscheinlichkeit die richtige Lösung, als eine Einzelperson (mit anderen Worten also nur dann, wenn schon Einzelpersonen Experten sind, die die richtige Lösung mit einer höheren Trefferquote finden, als eine geworfene Münze)
– Dagegen verhält es sich bei Pi < 0.5 umgekehrt; hier wählt die Majorität also eher die falsche Lösung. Ist die individuelle Lösungswahrscheinlichkeit also schlecht, ist es sehr problematisch, eine Gruppe mit Mehrheitsentscheidung einzusetzen. Dummer Weise werden aber meist genau dann Gruppen zur Lösungsfindung eingesetzt, wenn versucht werden soll, individuelle Unsicherheiten durch eine Gruppenlösung zu minimieren.
1.1.10 Problematisches Brainstorming – oder: kreative Gruppenleistungen
Gruppenleistungen vom Typus der Kreativität bestehen vor allem darin, möglichst originelle und neuartige Vorschläge zu machen. Bewertet werden sie nicht nach den Kriterien „richtig“ oder „falsch“ sondern „brandneu“ oder „alter Hut“. Auch spielt die Umsetzbarkeit der Vorschläge ein Rolle, so etwa ob man eine Kampagne in eine Geschäftsstrategie integrieren kann oder nicht.
Oft handelt es sich dabei um additive bis optimierende Aufgaben, bei denen aus einer hohen Quantität auch eine hohe Qualität resultiert. Im Kern geht es um die Produktion möglichst vieler Vorschläge / Ideen, aus denen dann die besten gewählt werden. Man geht davon aus, dass sich die Gruppe dabei gegenseitig stimuliert.
Die typische „Brainstorming“-Instruktion lautet dann auch: „Jeder soll zunächst einmal jede Idee nennen, die ihm einfällt – und zwar ohne auf Durchführbarkeit, Realismus, Albernheit etc. zu achten.“ Anschließend werden die Ideen gesammelt und die tauglichsten ausgewählt.
Doch in der empirischen Forschung zeigt sich deutlich, dass Brainstorming-Gruppen deutlich schlechtere Ergebnisse liefern, als Einzelpersonen. Der gern behauptete Synergie-Effekt der Gruppe ist also eine Illusion. Ebenso ist die positive Sichtweise der meisten Teilnehmer als unrealistisch einzuschätzen.
Verantwortlich für die schlechten Eigenschaften des Brainstormings sind folgende Faktoren:
Motivationsverluste und soziales Faulenzen: Ähnlich wie beim Ringelmann-Effekt (1.1.2) überlässt man gerne den anderen die Arbeit, insbesondere dann, wenn die Eigenleistung schwer identifizierbar ist.
Soziale Bewertung: Die „Schere im Kopf“ verhindert, dass Vorschläge genannt werden, die für den Vorschlagenden peinlich o.ä. sein könnten. Auch hier spielt die Selbstoffenbarungsangst eine wichtige Rolle. Es hat sich gezeigt, dass auch eine konkrete Brainstorming-Instruktion diesen Mechanismus nicht verhindern kann. Eine weitere Rolle spielt die Selbstoffenbarungsangst, also die Angst, sich vor den anderen zu blamieren oder nicht als der kompetente Mensch darzustellen, der man gerne wäre.
Prozessverluste: Man kann nicht gleichzeitig zuhören, Gesagtes speichern und noch Ideen produzieren – alle Prozesse stören sich gegenseitig. Die Komplexität der typischen Brainstorming-Bedingungen überfordert die meisten Teilnehmer, obgleich diese das kaum empfinden, weil ihnen das Prozedere Spaß bereitet.
Trotzdem kann das Potenzial für kreative Lösungen in Gruppen sehr hoch sein. Dabei ist jedoch der individuelle Beitrag sehr bedeutsam. Er kann verfeinert und ergänzt, oder aber verwässert und zerredet werden.
1.1.11 Die Gruppensituation
Menschen legen in Gruppen in Gruppen ein anderes Verhalten an den Tag, als wenn sie alleine sind oder sich unter anderen befinden, ohne mit ihnen jedoch eine Gruppe zu bilden (etwa auf dem Bürgersteig, auf dem Pausenhof, im Schwimmbad etc.) Betrachtet wird nun nicht die Gruppe als solche, sondern das individuelle Verhalten in einer Gruppensituation.
Gruppensituation: Eine Gruppensituation ist eine Bedingung, in der man als Einzelperson veranlasst wird, das eigene Urteil (Reaktion, Entscheidung) in Beziehung zu anderen Urteilen zu setzen (Erich Witte).
Eine Gruppensituation besteht aus zwei Einflüssen:
normative: Diese beziehen sich auf das in der jeweiligen Situation erwartete oder erwünschte Verhalten. Dieses legt den Verhaltensstil fest, der innerhalb einer Gruppe als angemessen oder opportun gilt. Er wird auch z.T,. als soziale Repräsentation eingebracht, bevor die Gruppe überhaupt zu interagieren beginnt.
informationelle: Diese Einflüsse beziehen sich auf den Informationsaustausch innerhalb der Gruppe. Hiermit ist zumeist auch ein Informationsgewinn der anderen Mitglieder verbunden, was den Vorteil der Gruppensituation ausmacht.
Diese Einflüsse beziehen sich auf den Informationsaustausch innerhalb der Gruppe. Hiermit ist zumeist auch ein Informationsgewinn der anderen Mitglieder verbunden, was den Vorteil der Gruppensituation ausmacht.
Normative Einflüsse steuern jedoch auch den Informationsaustausch in der Gruppe, bzw. legen fest, wie kommunizierte Information die Mitglieder beeinflussen.
Gemäß der Gruppen-Situations-Theorie (Witte) sind die normativen und informationellen Einflüssen in weitere Komponenten zu zerlegen, denen jeweils Werte zugewiesen werden können. Anhand eines formellen Modells (das hier zu weit führen würde) lassen sich so Aussagen über die Bedingungen von Gruppenleistungsfähigkeit treffen.
Zusammengefasst lässt sich eine Gruppenleistung erhöhen durch:
– die Maximierung des informationellen Einflusses;
– die Minimierung des normativen Einflusses
– und die Optimierung der individuellen Urteil bei der Gruppenlösung.
Erreicht wird dies u.a. durch Moderationstechniken.
1.2 Moderationstechniken
Bei Moderationstechniken handelt es sich um sozialpsychologische Formen, die auf den Ablauf einer Gruppenarbeit von außen Einfluss nehmen, um ihre Ergebnisse zu optimieren.
Diese Optimierung hängt im wesentlichen von der Zielsetzung der Gruppe ab und muss nicht zwingend auf die Gruppenleistung fokussiert sein. Vielmehr gilt es, eine Balance zwischen sozio-emotionalen Beziehungen und der Aufgabenbearbeitung herzustellen.
Als traditionelle Techniken der Verbesserung von Gruppenleistungen können Geschäftsordnungen, Sitzungsvorstände und ähnliche Routinen genannt werden.
Zu den sozialpsychologische Formen der Verbesserung von Gruppenleistungen zählen Moderationstechniken, Diskurstechniken (Festlegung von Interaktionen in der Gruppe, z.B. Brainstorming, Teufelsanwalt) und Gruppenentwicklungstechniken (Verbesserung des sozio-emotionalen Klimas in Gruppen, z.B. Encountergruppen, Themenzentrierte Interaktion).
Bevor wir uns der sog. Moderationsmethode® (auch Metaplan®-Technik oder Neuland-Moderation) zuwenden, sollen noch einige andere Moderationstechniken vorgestellt werden.
1.2.1 Die Delphi-Methode
Kern dieser Methode ist die schriftliche Befragung von Experten zu einem Thema, deren Antworten von einem Moderatoren-Team gesammelt und zusammenfasst werden. Damit soll versucht werden, den Einfluss dominanter Mitglieder sowie Konformitätsdruck zu minimieren.
Dadurch können schwer erreichbare Personen partizipieren, ebenso ist die Zahl der generierten Ideen vergleichsweise hoch.
Ablauf:
In einer ersten Runde werden den Experten Fragen oder Thesen zur Beantwortung vorgelegt. Eine Interaktion zwischen den Teilnehmern findet nicht statt, so dass Gruppenprozesse die individuellen Lösungsvorschläge nicht beeinflussen. Die Experten geben darauf hin ihre Meinungen inklusive ihrer Begründungen ab.
Die Antworten werden anonymisiert und zusammengefasst an alle Experten zur weiteren Diskussion bzw. Angleichung der individuellen Meinungen ausgegeben. Dieser Meinungsbildungsprozess wird in mehreren Stufen solange wiederholt, bis man schließlich zu einer verfeinerten Gruppenmeinung oder einer Art Konsens kommt.
Hierbei wird die Gruppenlösung im wesentlichen auf das Sammeln von Informationen reduziert, die dann von den Moderatoren integriert werden.
Empirische Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass diese Technik nicht eindeutig der Problemlösungsfähigkeit normal interagierender Gruppen überlegen ist. Das wiegt um so schwerer angesichts ihrer Nachteile:
– sehr zeitintensiv
– es erfolgt keine soziale Belohnung der Teilnehmer
– eine hohe Motivation der Teilnehmer ist nötig
– eine gute schriftliche Ausdrucksfähigkeit ist notwendig
1.2.2 Die Nominale Gruppentechnik (NGT)
Benötigt werden hier a) eine klare Fragestellung, b) eine Gruppe von Experten und c) ein Moderator, der den Ablauf steuert und sich inhaltlich heraushält.
Der Ablauf der NGT besteht aus folgenden Schritten:
1. Konfrontation der Gruppe (fünf bis neun Mitglieder) mit der Problemstellung;
2. Individuelle Produktion von Lösungen in Anwesenheit der anderen Mitglieder;
3. Individuelles Vortragen der Ideen, die an einem Flipchart o.ä. visualisiert werden können;
4. Diskussion der Vorschläge, vor allem um ein besseres Verständnis zu erhalten, und
einer Auswahl der geeigneten Vorschläge durch ein Auswahlverfahren (jeder Teilnehmer wählt die für ihn überzeugendsten Vorschläge und bringt sie in eine Reihenfolge);
5. die Ergebnisse werden aggregiert;
Auf diese Weise werden Meinungen gesammelt, die für ein Problem wichtig sind, und gleichzeitig eine quantifizierbare Messung der Relevanz dieser Meinungen.
Die empirische Überprüfung zeigt, dass die NGT eine leichte Leistungsverbesserung gegenüber normal interagierenden Gruppen aufweist.
1.2.3 Die prozedurale Moderation (PROMOD)
Vorausgesetzt werden folgende Punkte:
– nur mehrere Experten können gemeinsam ein hochkomplexes Problem lösen;
– es ist kaum möglich, eine Lösung in einer natürlich interagierenden Gruppe zu finden;
– eine gezielte Unterstützung der Projektgruppen führt zu einer erheblichen Leistungsverbesserung;
– das bedarf einer Verbesserung der individuellen Beiträge;
– das bedarf der Optimierung des Informationsaustausches;
– das bedarf der Reduzierung normativer Einflüsse.
Ablauf von PROMOD:
In einem ersten Schritt werden die gestellten Aufgaben zerlegt. Dies geschieht in einer Dialogphase zwischen den Mitgliedern und dem Moderator. Dabei ist zu beachten, dass die Mitglieder mit einem jeweils „eigenen“ Moderator an der Problemstellung arbeiten und den Dialog führen. Diese dyadische Situation soll die Motivation erhöhen sowie die Verständlichkeit für die übrigen Mitglieder erhöhen.
Dabei erfolgt die Zerlegung der gestellten Aufgabe in Unteraufgaben, die sich an ihrer Stellung im Problemlösungsprozess orientieren
1. Erfassung aller Einflussfaktoren im Dialog und ihre schriftliche Fixierung auf Karten. Die Karten werden gesammelt, inhaltlich strukturiert thematisch sortiert aufgeklebt. Damit wird eine
2. Diagnose getroffen, also der IST-ZUSTAND erfasst.
3. Auf die gleiche Weise (dialogisch, Fixierung auf Karten, Sortierung) wird die Prognose getroffen, also der SOLL-Zustand.
4. Ebenso werden die Maßnahmen erfasst, die den IST- und den SOLL-Zustand verbinden, also vom IST zum SOLL führen (Interventionen).
5. Abschließend werden Störgrößen und Nebeneffekte gesammelt, die zu erwarten sind.
In dieser Phase arbeiten die Mitglieder der Gruppe getrennt von einander. Angeleitet vom Moderator werden sie gebeten, mithilfe von Karteikarten, Pfeilen etc. ein Schaubild zu entwerfen. Dabei werden sie vom Moderator in der Weise unterstützt, dass sie durch bohrendes Nachfragen zur Ausschöpfung sämtlicher Ideen und zur Optimierung der Verständlichkeit ihrer Darstellungen gebracht werden.
In der anschließenden Konsensphase kommunizieren die Teammitglieder indirekt über den Moderator. Die erstellten Schaubilder werden ausgetauscht, so dass jeder Experte die Vorgehensweise der anderen kennt. Ebenso werden Verständnisfragen beantwortet.
Für die Bearbeitung eines Problems sind die Maßnahmen (Interventionen) ausschlaggebend. Über sie wird abschließend in einer einfachen und geheimen Abstimmung nach dem Mehrheitsprinzip entschieden.
Wichtig: Die Mitglieder der Projektgruppe treffen nie persönlich und direkt zusammen. Ihr Kontakt zu den anderen wird ausschließlich über den Moderator hergestellt.
Eigenschaften von PROMOD:
– Koordinationsprobleme werden gelöst, indem die Experten nicht mehr alle gleichzeitig am gleichen Ort sein müssen.
– Der Einzelne kann ungestört arbeiten, lernt aber gleichzeitig von den anderen.
– Es erfolgt eine Verbesserung der Problemlösestrategien der Mitglieder durch kognitionspsychologische Strategien.
– Motivationsverlusten durch Machtstrukturen, ungleiche Interaktionsverteilung und sozio-emotionale Konflikte wird vorgebeugt durch die dialogische Dyadenbildung zwischen Mitgliedern und dem inhaltlich neutralen Moderator.
– Die eingeschränkte Kommunikation zwischen den Mitgliedern verhindert, dass sozio-emotionale Aktivitäten zu Lasten der Aufgabenbewältigung gehen. Auch wird verhindert, dass Konformitätsprozesse zur Sicherung der Gruppenharmonie die Lösungsqualität beeinträchtigen.
– Inhaltliche und prozessuale Steuerung werden strikt getrennt.
– Allerdings geht dabei auch der in Gruppensituationen oft empfundene Spaß verloren. Daher muss genau überlegt werden, bei welchen Problemen man PROMOD anwenden möchte.
[Witte, E.H. & Sack, P.M. (1999): Die Entwicklung der Gruppenmoderation PROMOD zur Lösung komplexer Probleme in Projektteams. Psychologische Beiträge, 41, 113-213]
2. Die Moderationsmethode
Der Begriff ist irreführend: So wenig, wie es die Kochmethode gibt, gibt es die Moderationsmethode. Das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, was der Sinn von Moderation ist und dass es mehrere Methoden gibt, Gruppenprozesse so anzuleiten, dass eine möglichst optimale Problemlösung erreicht wird. Allen gemeinsam ist der Versuch, unerwünschte Gruppenprozesse einzudämmen und damit eine kontrollierte Trennung von normativen und informationellen Prozessen vorzunehmen. Dazu gibt es verschiedene Techniken, die in Abhängigkeit von der Zielsetzung eingesetzt werden.
Die Moderationsmethode (MODERATIOnsMETHODE®), um die es im folgenden geht, ist ein mittlerweile kommerzielles Produkt, das in vielen Betrieben und sonstigen Einrichtungen gerne in Teamarbeiten eingesetzt wird. Sie ist ein eingetragenes Warenzeichen und auch als Metaplan®-Technik oder Neuland-Moderation bekannt.
Geschichtlicher Hintergrund:
Moderation als „zielgerichtete Gruppenarbeit“ ist ein Konzept, das seit den 1960er Jahren verfolgt und weiterentwickelt wird. Ursprünglich ging es in der Zeit der Studentenrevolten darum, die zuweilen chaotischen Gruppendiskussionen so zu strukturieren, dass nicht nur jeder zu Wort kommen kann, sondern am Ende auch ein brauchbares Ergebnis herauskommt. Damit verbunden war auch das Ziel, Diskussionen und Gruppenarbeiten zu demokratisieren und von der überkommenen wie hierarchischen Technik des Frontal-Vortrages abzurücken. Das Ziel war also, Mitbestimmung zu ermöglichen.
In dieser Situation entwickelten Wolfgang und Eberhard Schnelle von der Unternehmensberatung „Quickborner Team“ eine (oder: die) Moderationsmethode, um Entscheidungsprozesse in Betrieben und Organisationen zu demokratisieren. Das Konzept („Entscheidertraining“) der Gebrüder Schnelle fasste auch an Hochschulen Fuß, wo überkommene Entscheidungsprinzpien über Bord geworfen werden sollten.
Anfang der 1970er Jahre entwickelten die Gebrüder Schnelle gemeinsam mit der Sozialpsychologin Karin Klebert und dem Soziologen Einhard Schrader die Grundzüge der Moderationsmethode, die man daraufhin Metaplan-Methode nannte. Parallel dazu wurde aus dem „Quickborner Team“ die Metaplan® GmbH.
Daneben haben sich bis heute noch weitere Unternehmen etabliert (z.B. Neuland, Nitor), die diese Methode als Dienstleistung anbieten, d.h. Moderatoren ausbilden und vor allem das Zubehör liefern (Moderationswände, Kärtchen, Pfeile und weiteren Schnickschnack).
Heute hat sich der Begriff „Moderationsmethode“ eingebürgert, Metaplan- oder Neuland-Moderation dagegen wird eher selten noch benutzt.
Wenn der Begriff „Moderationsmethode“ im folgenden auftaucht, wird er mit diesem Vorzeichen benutzt, also als Markenname einer kommerzialisierten Moderationstechnik.
2.1. Ganzheitliches, interaktionelles Lernen: Aus Betroffenen Beteiligte machen
Die Philosophie der Moderationsmethode lautet, „Aus Betroffenen Beteiligten machen“. Ihre Geisteshaltung soll untrennbar mit der (technischen) Methode verbunden sein, ansonsten würde aus Moderation schnell Manipulation werden.
Michéle Neuland (1995, S. 59) definiert Moderation wie folgt:
„Die Moderation ist eine Form des interaktionellen Lernen und Arbeitens. Ihre Wurzeln liegen in der Pädagogik, Humanistischen Psychologie, Soziologie und Gruppendynamik. Grundlage ist eine spezielle Wertehaltung zu Menschen. Sie findet Ausdruck im demokratischen Arbeitsstil der Gruppe, im verantwortlichen Denken und handeln des einzelnen und der Akzeptanz gegenüber Andersdenkenden. Ziel der Wertehaltung ist: Humanes Lernen und Arbeiten.“
Weitere philosophische Grundgedanken
– Der Wahlspruch lautet: „Aus Betroffenen Beteiligte machen“, gemeinsames Wissen soll genutzt und potenziert werden.
– Der Moderator tritt als Dienstleister auf, der mit der Gruppe die Spielregeln erarbeitet. Ziel ist, gemeinsam und schnell brauchbare Ergebnisse zu erzielen.
– Störungen haben auch hier Vorrang (vgl. Postulat der Themenzentrierten Interaktion)
– Moderation ist auch ein Führungsstil, getreu dem Motto von Carl Rogers: „In Freiheit lernen und arbeiten“.
Moderieren ist nach Neuland (1995, S. 55) ein Grundwort des Menschen, das viele Bedeutungsverschiebungen erfahren hat. Im Kontext des interaktionellen Lernen und Arbeitens ist der Begriff „modus“ wichtig. Er bedeutet es soviel wie „Art, Weise, Maß“. Aus ihm lassen sich die Begriffe „modestus“ (maßvoll, bescheiden) sowie „moderare“ (mässigen) ableiten. Im Englischen wurde daraus „to moderate“, was soviel heißt, wie „eine Versammlung / Gespräch leiten“.
Moderation erscheint in dieser Perspektive als eine geschichtlich immer wiederkehrende Vorgehensweise, die aus dem menschlichen Bedürfnis nach geregeltem Zusammenleben erwächst.
Der Moderator ist ganz in diesem Wortsinne eine maßvolle Persönlichkeit, die selbst gemäßigt ist (als Persönlichkeitseigenschaft, nicht das Maß aller Dinge) und auch mäßigend wirkt.
Daher: „Der Moderator sollte als maßvolle und gemäßigte Persönlichkeit mäßigend wirken.“ (Neuland 1995, 70).
Ziele der Moderation:
– Förderung des gruppendynamischen Prozesses, ohne ihn aber inhaltlich zu lösen
– Einbringen von Ideen aus dem jeweiligen Wissens- Erfahrungshintergrund der Teilnehmer in einer Atmosphäre gegenseitiger Akzeptanz
– Erzielen gemeinsamer Ergebnisse
– Beteiligung aller Teilnehmer am Entscheidungsprozess
– Förderung der Kommunikation und Offenheit innerhalb der Gruppe
Säulen der Moderationsmethode:
1.Visualisierung: Die bildhafte Darstellung hilft, Dinge verständlicher und besser merkbar zu machen. Hirnphysiologisch kommt es dabei zu einer Kombination aus der Aktivität von linker und rechter Gehirnhälfte. Während in der linken Hirnhälfte das rationale und analytische Denken angesiedelt ist, kümmert sich die rechte Hälfte um das Gefühlsmäßig-Unbewusste sowie die Wahrnehmung visueller Reize. Aus rein praktischer Sicht ermöglicht die Visualisierung auch eine schnelle Einführung Außenstehender in das Thema.
2. Der Moderator / die Moderatorin: Der Moderator hat eine „Hebammenfunktion“ als Dienstleister für die Gruppe. Er ist Motor und Wächter der Gruppenprozesse, ohne dabei inhaltlich allzu großen Bezug zu nehmen. Seiner / Ihrer inneren Einstellung zufolge werden die Gruppenmitglieder als kompetente, eingeständige und entwickelte Individuen mit Gefühlen und Bedürfnissen wahrgenommen, die nicht geführt, sondern ernst genommen und unterstützt werden wollen. Moderation wird als gemeinsamer Lernprozess mit der Gruppe verstanden.
3. Methodenrepertoire / Fragetechniken: Diese Methoden / Techniken stellen die Verbindung her zwischen Moderator, Gruppe und Visualisierung. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Fragetechniken zu. Diese werden in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation verwendet und haben großen Einfluss auf den Diskussions- oder Lernverlauf.
2.2 Vorbereitung einer Moderation
Im Zentrum der Vorbereitung steht, dass der Moderator den logistischen Organisationsablauf seiner Moderation plant und sich über die Beteiligten sowie den Auftraggeber informiert.
Der Moderator muss so viel wie möglich über die Menschen wissen, die moderieren wird (Stärken, Schwächen, Eigenheiten, Stellung im Betrieb). Diese Informationen müssen wertneutral aufgenommen werden.
Ebenso muss der Moderator möglichst viel über seinen Kunden / Auftraggeber wissen. Er muss den Zweck der Zusammenkunft kennen, besondere Erwartungen und spezielle Standards.
Zu klärenden Fragen für den logistischen Organisationsablauf:
– Datum, Uhrzeit, Ort, Telefonnummern etc.
– voraussichtliche Dauer
– Thema, Agenda, Auftrag, Tagesordnung
– Teilnehmerliste
– Informationen zur Kleiderordnung
– Aufforderung an die Teilnehmer, inhaltliches Material mitzubringen (Akten, Vorarbeiten etc.)
Auch muss sich der Moderator mit den räumlichen Gegebenheiten auseinandersetzen:
– Reservierung von Räumen
– Festlegung der Tisch- und Sitzordnung (Runder Tisch, U-Form, Plenum)
– Organisation der Technik (Projektoren, Pinnwände, Flipcharts etc.)
– Klärung der Licht- und Lärmverhältnisse
– Was gibt es zu essen?
– Rauchmöglichkeiten
– Freizeitmöglichkeiten, Kneipen und Bars bei mehrtägigen Veranstaltungen
Weiterhin gehören zur Vorbereitung:
Zielsetzung der Moderation:
– Klärung der Zielsetzung mit dem Auftraggeber. Moderationsauftrag muss präzise formuliert sein.
– Formulierung eines Gesamtkonzepts und einer Gesamtzielsetzung, auf der ein methodisches Konzept aufgebaut wird.
– Zeitliche Planung
– Klärung der Frage, ob vereinbarte Ziele mit den Teilnehmern realisierbar sind.
Zielgruppe der Moderation (Analyse der Teilnehmergruppe):
– Was für Leute sind das?
– Kennen die sich untereinander?
– Gibt es Hierarchiestufen?
– Welche Interessen und Einstellungen gibt es zum Thema?
– Welchen Informationsstand haben die Teilnehmer?
– Welche Kompetenzen haben sie?
– Welche Konflikte / Schwierigkeiten können auftreten?
– Gibt es Zielkonflikte zwischen den Teilnehmern?
– Gibt es Zielkonflikte zwischen den Teilnehmern und Auftraggeber?
– Welche Einstellung haben die Teilnehmer zum Moderator?
Strategie und Zeitplanung (Wie soll die Veranstaltung ablaufen, wie sieht eine zielgerichtete Dramaturgie aus?):
– Welches Ziel hat jeder Abschnitt?
– Welche Methode soll für jedes Ziel eingesetzt werden?
– Erstellung eines Moderationsplans.
– Welche Fragestellungen werden benutzt? In der Dramaturgie gibt es Einstiegsfrage und Folgefragen.
– Mit welcher Methode werden die einzelnen Schritte vollzogen?
– Vorbereitung der Visualisierung (Festlegung der Materialien)
2.3 Moderationselemente und -techniken
Moderationselemente sind Hilfsmittel, die überwiegend dem Visualisieren von Inhalten dienen. Das wichtigste Medium dabei ist die Pinnwand, an der der Moderator mit verschiedenen Visualisierungselementen arbeitet. Dazu gehören:
– Kommunikationskarten: Sie sind das Hauptelement der Moderation, auf ihnen werden Diskussionsbeiträge, Ideen etc. vermerkt. Thematische Zusammenhänge werden auf Karten gleicher Farbe dargestellt. Mit der Farbe Rot sollte wegen der aktivierenden Wirkung sparsam umgegangen werden. Generell gilt für die Beschriftung von Karten: max. ein Gedanke pro Karte, max. drei Zeilen pro Karte, nicht mehr als sieben Worte pro karte, leserlich und groß schreiben, Buchstaben eines Wortes eng zusammenschreiben, Groß- und Kleinschrift verwenden.
– Ovale Karten: Ergänzungen, Anmerkungen, emotionale Aussagen, Aufmerksamkeitsmittel
– Kuller (kreisrunde Scheiben in drei verschiedenen Größen): kleiner Kuller zur Nummerierung / Pointierung von Inhalten, mittlerer für die Umstrukturierung von Themen, großer Kuller für Überschriften von Themenblöcken
– Schienen (Streifen / Schlipse): Träger von Überschriften, Visualisierung von Fragen und Thesen
– Wolken (weiß, roter Rand): Visualisierung des Hauptthemas, Titelposter eines Gruppengesprächs
– Rhombische Karten: inhaltliche Ergänzung offener Punkte
– Waben-Karten: weitere Visualisierungsmöglichkeiten
– Sprechblasen: Visualisierung von subjektiven Kommentaren u. Zitaten
– Moderations-People: Darstellung von Gruppenprozessen
– Schreibstifte: Blau und Schwarz als Hauptfarben, Rot / Grün zum Pointieren
– Klebepunkte (in mehreren Farben): zur Gewichtung visualisierter Äußerungen
– Stecknadeln: zum Befestigen der Papierbögen auf der Pinnwand und während der Moderation; Karten lassen sich leicht umstecken, wenn Veränderungen vorgenommen oder Gedankenketten gebildet werden
– Packpapierbögen: zur Bespannung der Moderationswände
2.3.1 Grundtechniken der Pinnwand-Gestaltung
Platzbedarf: Es sollte die gesamte Fläche genutzt werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass ca. 30% der Fläche frei bleiben, damit die Wand nicht überfrachtet erscheint.
Lesegewohnheiten beachten: Anordnung gemäß der allgemeinen Lesegewohnheiten, also von links nach rechts und von oben nach unten.
Bilden von Schriftblöcken: Was inhaltlich zusammengehört, sollte als Einheit erscheinen. Unterschiedliches sollte getrennt sein.
Weniger ist mehr: Komplizierte oder überfrachtete Darstellungen verwirren mehr, als sie klären.
Betonung: Farbe, Schriftgrößen und Formen betonen inhaltliche Schwerpunkte.
2.4 Arbeitstechniken
Diese werden während des Modertionsprozesses angewendet, um ein geplantes Ziel innerhalb eines Abschnitts zu erreichen. Dazu müssen Informationen eingebracht werden, die zur Zieldefinition und Aufgabenerledigung relevant sein können. Informationen können Themen, Fragen, Ideen, Lösungsansätze, Argumente o.ä. sein.
Das Kennenlern-Plakat: Einzusetzen als „Warming-Up“ oder wenn sich die Teilnehmer noch nicht kennen. Mögliche Formen: „Wir über uns“ – Plakat mit Tabelle (Rubriken z.B. Name, Funktion, Hobbys) oder ein einzelnes Personen-Plakat (selbstgemaltes Bild von sich, dann Rubriken).
Punktfragen/Gewichtungsfragen: Eine Methode, bei der jeder Teilnehmer mithilfe von Selbstklebepunkten auf einem Plakat antwortet.
Ein-Punkt-Fragen: Frage wird mit einem Selbstklebepunkt beantwortet. Dieser wird innerhalb eines vorgegebenen Rasters / Koordinatenfeldes / Skala / Gegensatzpaares platziert. Damit werden unterschiedliche Meinungen, Erwartungen, Schätzungen, Stimmungen in der Gruppe erfragt.
Mehrpunkt-Abfrage: Frage, die mit mehreren Punkten beantwortet werden können.
Erwartungsabfrage: Sammeln der Erwartungen / Befürchtungen bzgl. der Veranstaltung (etwa durch Punktabfragen)
Kartenabfrage: Es wird eine klar formulierte Frage gestellt und visualisiert. An die Tn werden Präsentationskarten verteilt, auf denen stichwortartig Antworten geschrieben werden sollen. Mittel für: Themenfindung, Ideensammlung, Problemdefinition, Ursachenanalyse, Maßnahmenplanung
Regeln:
– pro Karte eine Idee
– Querformat
– nur Vorderseite
– alle Karten und Stifte haben die gleiche Farbe
Anschließend werden die Karten eingesammelt und an die Wand gepinnt. Jede Karte wird vom Moderator vorgelesen. Es kann dann eine inhaltliche Struktur erstellt werden, wobei die Tn mithelfen.
Vorteile:
– alle Tn können sich äußern
– auch zurückhaltende Tn werden durch die Möglichkeit der „verdeckten“ Antwort einbezogen
– demokratische Behandlung (alle Antworten sind gliche wichtig)
Nachteil:
zeitaufwändig
Zuruffrage: Aufforderung an die Tn, Antworten zuzurufen. Der Moderator fasst die Antworten in wenigen Worten zusammen und schreibt sie auf eine Karte. Diese wird in einer systematischen Struktur an die Pinnwand geheftet.
Das bietet sich an, wenn das Repertoire der Antwortmöglichkeiten relativ klein ist oder man in kurzer Zeit viele Vorschläge sammeln möchte. Ein Vorteil der Zuruffrage ist die Stimulierung der Tn durch Assoziationen, was besonders bei Problemlösungen wichtig ist.
Tätigkeitsliste: Zusammenfassung der Ergebnisse und Tätigkeiten nach einer Moderation in einer Liste. Vereinbarte Aufgaben müssen konkret umsetzbar formuliert werden.
Graffiti: Jeder Tn erhält eine Schiene mit einem Satzanfang, der spontan zu Ende geschrieben werden soll (z.B. Mein Chef denkt….)
Blitzlicht: Zum Überblick über Meinungen, Gedanken, Gefühle, Einschätzungen. Moderator stellt eine Frage, die reihum von jedem beantwortet wird. Die Antworten sollen kurz sein und werden nicht diskutiert. Es erfolgt nicht immer eine Visualisierung. Mit dem Blitzlicht kann eine Veranstaltung am Ende auch reflektiert werden.
Mind-Map: Dabei handelt es sich im Kern um eine visualisierende Gedächtnistechnik. Ausgehend von der Mitte eines Leeren Blattes (Pinnwand) werden verästelnd Haupt- und Nebenaspekte eines Themas aufgezeichnet. Die M.M. eignet sich gut in Kombination mit Zuruffragen.
2.5 Der Ablauf der Moderation
Generell kann hier keine eindeutige Regel festgelegt werden, da Moderationen immer ihrer eigenen Dynamik folgen. Als klassisch können aber folgende Schritte angesehen werden:
1.Einstieg / Warming-Up
2.Themen und Ideen sammeln
3. Themen und Ideen speichern und auswählen
4. Themen und Ideen bearbeiten
5. Planung von Maßnahmen
6. Abschluss
Einstieg:
– Schaffen eines positiven Arbeitsklimas
– Einstellung auf das Thema
– gegenseitiges Kennenlernen
– Erläuterung der Methode für die Tn
– Orientierung über die gemeinsame Arbeit
– Festlegen der Spielregeln: Wenn die Methode den Tn noch nicht bekannt ist, legen Spielregeln die Umgangsformen fest. SpR können auf einen Plakat visualisiert werden. Wichtig dabei ist auch der Umgang mit Störungen (TZI: „Störungen haben Vorrang“).
– Abklären von Erwartungen und Befürchtungen
– „Visitenkarte der Veranstaltung“: Ein gelungener Einstieg hat eine nachhaltig positiven Einfluss auf den folgenden Verlauf, ein misslungener kann sehr lange negativ nachwirken.
Mittel: Ein-Punkt-Abfragen („Wie sehr sind Sie von dem Thema betroffen?“ etc.), Zuruffragen („Was soll bei dieser Veranstaltung herauskommen?“), Einführungsrefarat
∫2. Themen sammeln
– Sammlung von Themen, Ideen etc., was besprochen werden könnte oder sollte.
– die Gedanken der Tn werden auf die gemeinsame Zielsetzung konzentriert
– es wird ein inhaltlicher Ausgangspunkt für die inhaltliche Arbeit geschaffen
– alle Tn werden dabei einbezogen
– es wird für alle Tn Transparenz hergestellt
Der Moderator leitet mit einer präzisen Frage ein, die bereits auf einem Plakat visualisiert wurde. Weiterer Ablauf:
– Erläuterung durch den Moderator, zu welchem Themengebiet und mit welchem Ziel Ideen gesammelt werden.
– Jeder Tn erhält Stift und Karten, auf die er Ideen schreibt.
– Der Moderator sammelt die Karten ein und mischt sie ggf.
– Der Moderator steckt die Karten an die Pinnwand. Der Inhalt wird vorgelesen, aber nicht kommentiert. Bei Unklarheiten erläutern die TN die jeweiligen Karten.
– Die Themensammlung kann auch durch Zuruffragen erfolgen (Stimulanz durch Assoziationen, allerdings nicht anonym).
Clustern: Der Moderator versucht beim Anheften der Karten, solche mit gleichem / themenverwandtem Inhalt in Gruppen (Clustern) anzuordnen. Die Gruppe muss dabei mit der Clusterbildung einverstanden sein. Jede Karte wird berücksichtigt, auch mehrmals geschrieben. Anschließend erfolgt das Bilden von Überschriften (ovale oder rechteckige Karten).
Regeln beim Clustern:
– Alle Karten zulassen, auch solche mit gleichen oder ähnlichen Aussagen, scherzhafte oder diskreditierende Beiträge.
– Gleiche Karten übereinander hängen, Häufungen sollen sichtbar sein.
– Tn können ihre Karte jederzeit zurückziehen.
– Die Gruppe soll entscheiden, zu welchem thematischen Block die Karte gehört.
– Autoren haben aber das Vetorecht.
– Tn, die nicht einverstanden sind, können ein Blitzzeichen erheben.
– Cluster sollen nicht unkonkret werden und Karten mit zu weiten thematischen Bereich beinhalten.
Themen speichern und auswählen
Die Überschriften der Cluster werden nun in einen Themenspeicher übernommen. In diesem werden die Oberbegriffe der Ideensammlung erfasst. Der Themenspeicher ist in größeren Veranstaltungen der Dreh- und Angelpunkt der Moderation. Er schafft Überblick über die behandelten und noch zu behandelnden Themen.
Bewertung der Themen:
– Der Moderator formuliert eine anregende und zielgerichtete Fragestellung („Welche Idee soll vorrangig umgesetzt werden?“). Den Tn soll die Zielsetzung der Gewichtung deutlich werden.
– Mithilfe von Klebepunkten können die Tn gemeinsam zur Pinnwand gehen und ihre Prioritäten verdeutlichen
– Die Themen können auf eine weitere Pinnwand mit entsprechender Rangordnung übertragen werden.
– Anschließend wird das favorisierte Thema / Schwerpunktthema detailliert behandelt.
Bearbeitung der Themen
Nun erfolgt die eigentliche Problembearbeitung. Orientiert an den festgelegten Themen werden
– Informationen gesammelt
– Probleme analysiert
– Lösungen entwickelt
– Entscheidungen vorbereitet
– Entscheidungen getroffen
Genaue Rezepte hierzu gibt es jedoch nicht, da jede Methodik vom zugrunde liegenden Problem abhängt. Bei der Themenbearbeitung können Kleingruppen mit max. fünf TN gebildet werden, in denen sich leichter Meinungen austauschen lassen.
Die Bearbeitungsphase lässt sich in drei Sub-Phasen aufteilen:
Datensammlungsphase: Hier werden Informationen zusammengetragen, strukturiert und in ihrer Bedeutung analysiert.
Alternativphase: Zusammentragen möglichst vieler Lösungsmöglichkeiten, jedoch noch ohne Beurteilung.
Entscheidungsphase: Konsequenzen der unterschiedlichen Ansätze werden herausgearbeitet, gegenübergestellt und bewertet. Dabei wird die sachlich und personelle Seite des Problems berücksichtigt.
Mittel:
– Mind-Map
– Kleingruppen
– Kartenabfragen
Kleingruppen visualisieren auf einem strukturierten Plakat ihre Lösungsvorschläge (Szenario, z.B. SOLL – ISt Gegenüberstellung).
Anschließend präsentieren die Kleingruppen ihre Ergebnisse im Plenum (5 – 15 min.). Das Plenum kann Ergänzungen, Kommentierungen etc. auf Karten schreiben und auf dem Kleingruppenplakat anheften.
Maßnahmen planen
Da es Ziel der Moderation ist, ein von allen Tn akzeptiertes Ergebnis zu erarbeiten, müssen nun die Maßnahmen festgelegt werden, die zur seiner Realisierung notwendig sind.
Verwendet wird dabei ein Maßnahmen- / Tätigkeitskatalog. Hierin werden konkrete Maßnahmen / Aktivitäten festgelegt und die weitere Zusammenarbeit vereinbart.
Formulierung der Maßnahmen: einfach, konkret, überschaubar, etvl. auch nach was?, wann?, wo?, wer?, mit wem?-Schema
Abschluss
Nun ist die inhaltliche Arbeit beendet. Es folgt eine Reflexion der Veranstaltung auf inhaltlicher und personeller Ebene. Geklärt wird dabei, ob Erwartungen erfüllt wurden, das Ergebnis zufrieden stellt und wie sich die Tn fühlten.
Abgefragt kann dies etwa durch eine zwei-dimensionale Ein-Punkt-Frage:
Ebenso können auch Kommentare und Bewertungen der Tn auf Karten notiert und auf einem Plakat festgehalten werden.
Auch können die wichtigsten Aussagen, Diskussionsbeiträge, Gruppenergebnisse in einem Simultanprotokoll festgehalten werden. Dabei werden alle Aussagen abgeschrieben oder besser abfotografiert.
2.6 Verhaltensregeln für den Moderator
Die Aufgaben des Moderators sind sehr vielfältig und ändern sich im Laufe des Moderationsprozesses. Immer gleich bleibt jedoch seine Grundhaltung: Der Moderator ist der Helfer der Gruppe. Er ist ein Methodenspezialist, aber kein inhaltlicher Experte. Er trägt Verantwortung für den Gruppenprozess sowie den Gruppenzusammenhalt.
Verhaltensregeln:
Keine inhaltliche Einmischung: Diese Regel klingt einfach, ist in der Regel aber nicht durchgehend einzuhalten. Geht es in einer Veranstaltung etwa auch um die Vermittlung von Wissen, muss der Moderator seine Rollen trennen und auch als Dozent auftreten. Verdeutlicht werden kann dies durch seine Position im Raum: Als Moderator kann neben der Pinnwand gearbeitet werden, als Dozent an einem Pult.
Fragen statt sagen: Der Moderator ist Helfer, nicht Dozent. Daher ist seine Grundhaltung fragend. Aggressive oder emotionale Beiträge der Tn können von ihm neuralisierend umformuliert werden, um die Sach- von der emotionalen Ebene zu trennen.
Keine Wertungen: Der Moderator stellt seine eigenen Meinungen und Werturteile zurück. So erlangt die Gruppe Vertrauen in seine Neutralität. Auch das Loben von Tn sollte vorsichtig gehandhabt werden.
Mit der Gruppe gehen: Der Moderator lässt sich seinen Kurs von der Gruppe vorgeben. und zieht sie nicht in eine bestimmte Richtung. Wir der Moderator kritisiert, entschuldigt oder rechtfertigt er sein Handeln nicht. Stattdessen greift er Kritik konstruktiv auf und klärt sie gemeinsam mit der Gruppe.
„Ich“ statt „man“: Kein Verstecken der eigenen Aussage hinter der Allgemeinheit. Diese Regel der TZI ist auch für die Gruppe zu empfehlen. So sollte der Moderator als gutes Beispiel vorangehen.
Störungen haben Vorrang: Auch dieses TZI-Postulat sollte beachtet werden, da Störungen wie Nebengespräche oder Unruhe die Arbeit am Thema beeinträchtigen. Auch haben Störungen oft einen Grund, der unbehoben die weitere Zusammenarbeit stören kann. Um Stimmungen oder Konflikte transparent zu machen, kann der Moderator Ein-Punkt-Abfragen oder Blitzlichter einsetzen. Um zu erkennen, ab wann eine Störung behandlungswürdig ist gilt: Eine Störung ist dann akut behandlungswürdig, wenn sie die inhaltliche Zusammenarbeit stärker belastet, als ihre Thematisierung als Störung es tun würde.
Flexibel sein: Die mechanische Anwendung der Verhaltensregeln führt sicher zu einer bestenfalls mäßigen Moderation. Daher besteht die Flexibilität aus der Kenntnis der Werkzeuge und Regel, die aber je nach Situation auch großzügig ausgelegt oder auch mal ignoriert werden können.
2.6.1 Fragenformulierung
Fragen stellen gehört zu den zentralen Aufgaben eines Moderators. Fragen sollen die Teilnehmer in den Prozess mit einbeziehen und aktivieren, über ein Problem nachzudenken. Mit Fragen werden Informationen abgefordert, Bewertungen vorgenommen und das weitere Vorgehen abgestimmt.
Vor der Fragenstellung muss das Ziel, das mit der Frage erreicht werden soll, genau bekannt sein. Fragen sind Schritte auf dem Weg zu einem Ziel.
Offene Fragen: Hier wird die Antwort frei formuliert („Was fällt Ihnen dazu ein?“)
Geschlossene Fragen: Sind nur mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten
Alternative Fragen: Bieten zwei Alternativen zur Auswahl, mit der Gefahr, dass sich die Gruppe spaltet („Sollen wir A machen oder besser zu B übergehen?“)
Rhetorische Frage: Beinhaltet keine Abfragen von Wissen, sondern hat mehr Aufforderungscharakter. In der Moderation sollten sie nicht angewendet werden („Wollen wir jetzt nicht endlich B machen?“)
Suggestivfrage: Manipulation des Befragten, daher auch nicht in der Moderation zu verwenden („Sind sie nicht auch der Meinung, dass C zutrifft?“).
Wichtig für den Moderator ist darüber hinaus die Technik des aktiven Zuhörens, das eine offene und grundsätzlich wohlwollende Haltung gegenüber dem Befragten beinhaltet (nach Carl Rogers):
– der Gesprächspartner zeigt eine gefühlsbetonte Reaktion auf die Botschaft eines Senders
– die Begegnung im Menschlichen: Einbeziehung des Nonverbalen, gegenseitiges prinzipielles Wohlwollen, Einbezug des Emotionalen
– EAA: Emphatische Grundhaltung, Authentisches Auftreten, Akzeptanz des anderen
– zuhören heißt nicht, alles Gesagte automatisch gutzuheißen
– bei Verständnisproblemen soll nachgefragt werden
– die Gefühle des anderen sollen ebenso beachtet werden, wie eigene Gefühle