Behaviorismus
Der Mensch als Reiz-Reaktions-Maschine: Das Gehirn wird als „Blackbox“ angesehen, innerpsychische Prozesse sind nur indirekt beschreibbar als Zusammenhang zwischen einem von außen applizierten Stimulus und einer nur von außen beobachtbaren Reaktion. Für Lernprozesse werden folglich die äußeren Bedingungen in den Fokus gerückt, für die Erfolgskontrolle das beobachtete Verhalten. Innere Prozesse werden als objektiv nicht erhebbar angesehen und komplett ausgeklammert, es zählt einzig die beobachtbare Wechselwirkung zwischen Organismus und Umwelt. Aus dem Behaviorismus stammen die klassischen lerntheoretischen Modelle des klassischen und operanten Konditionierens als Erklärung menschlichen Verhaltens.
Klassische Konditionierung (Pawlow, Watson);
Ein zunächst neutraler Reiz (Veränderung in der Umwelt) löst eine Reaktion aus (z.B. ein heißes Bügeleisen führt zum spontanen Zurückziehen der Hand).
Dieser unkonditionierte Reiz (z.B. Hundefutter) führt also zu einer unkonditionierten Reaktion (z.B. Speichelfluss) des Organismus. Wird der unkonditionierte Reiz wiederholt mit einem neutralen Reiz gekoppelt (z.B. Glöckchen), kann die ursprünglich unkonditionierte Reaktion durch den vormals neutralen Reiz ausgelöst werden. Ist das der Fall, verwandelt er sich in einen konditionierten Reiz.
Operantes (auf Umwelt einwirkendes, instrumentelles) Konditionieren (Thorndike, Skinner)
Im Unterschied zur klassischen Konditionierung, in der prinzipiell jeder verfügbare Reiz mit einer Reaktion verknüpft werden kann, bestehet beim operanten Konditionieren eine funktionale Beziehung zwischen einer Reaktion des Organismus und den damit ausgelösten Reizen aus der Umwelt (Handlungsfolgen). Verhalten ist demnach eine spontane Reaktion, die von den antizipierten Folgen geformt wird, die als angenehm oder unangenehm erlebt werden.
Stimuli als Konsequenzen für Verhalten haben also einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, mit der dieses Verhalten in Zukunft wieder auftritt. Dabei ist ein
- Verstärker ein Stimulus, der die Verhaltenswahrscheinlichkeit erhöht und eine
- Bestrafung ein Stimulus, der die Verhaltenswahrscheinlichkeit reduziert.
Verstärker werden unterschieden in
- positive Verstärkung (C+; Bekräftigung, Belohnung): Ein als positiv erlebtes Ereignis folgt dem Verhalten. Die Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens erhöht sich.
- negative Verstärkung (
C-; Wegfall negativer Konsequenz): Durch das Ausbleiben eines unangenehmen Reizes kommt es zur Erhöhung der Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens. Hier kann es zum Vermeidungsverhalten kommen (z.B. Verstärkung durch Ausbleiben von Angstzuständen).
Verstärker können unterteilt werden in
- primäre Verstärker: Konsequenzen, die der Befriedigung physiologischer Grundbedürfnisse dienen.
- sekundäre Verstärker: Konsequenzen, die der Befriedigung nicht lebensnotwendiger Bedürfnisse dienen.
- materielle Verstärker: Dingliche Konsequenzen.
- Handlungsverstärker, soziale Verstärker: Verstärkung durch angenehme Tätigkeiten im Beisein anderer Personen.
Bestrafung ist ein als unangenehm empfundener Stimulus, der die Verhaltenswahrscheinlichkeit reduziert. Es wird unterschieden in:
- direkte Bestrafung (C-; positive Bestrafung): Ein aversiver Reiz folgt auf Verhalten, was die Auftretenswahrscheinlichkeit zumeist kurzfristig reduziert.
- indirekte Bestrafung (
C+; negative Bestrafung): Durch das Ausbleiben eines angenehmen Reizes nimmt die Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens ab.
Extinktion (Löschung): Durch Nichtverstärkung (Ignorieren) kommt es zur Abnahme der Verhaltenswahrscheinlichkeit.
Intermittierende Verstärkung: Wird ein Verhalten zwar überwiegend, aber nicht regelmäßig belohnt (positiv verstärkt), kommt es zu einer besonders hohen Löschungsresistenz.
Auf die Anwendung von Strafen sollte im pädagogischen Kontext weitgehend verzichtet werden:
- Strafen führen zu einem neurophysiologischen Gewöhnungseffekt (das Gehirn verarbeitet nur Differenzen, die theoretisch immer größer ausfallen müssen).
- Unerwünschtes Verhalten wird lediglich unterdrückt, während es kaum zur Entwicklung positiver Verhaltensalternativen kommt.
- Strafen verursachen belastende Emotionen und Beeinträchtigen die Würde des Bestraften.
- Strafen können zu Vermeidungsverhalten ohne Einsicht in den Handlungsfolgen führen.
- Strafen können Selbstwertgefühl und Identität beeinträchtigen.
- Strafen können zu negativem Vorbildverhalten führen (Modelllernen).
- Strafen können Gegenaggressionen (Opposition, Reaktanz, passive Aggression) hervorrufen.